17. Juni 2025
In der zugigen Markthalle, die auf meinem Schulweg lag,
War ein kleiner Plattenladen, bei dem lief den ganzen Tag
Ein Zehn-Schellack-Plattenwechsler, und dabei war auch ein Lied,
So ein Lied, wo es dich packt, daß du nicht weißt, wie dir geschieht.
Und da stand ich starr und hörte und mir blieb gar keine Wahl:
Ich mußt‘ es wieder hör’n und wieder und nochmal und noch einmal.
Aber dafür hieß es warten: Zehn Lieder hin und zehn zurück,
Jedesmal ’ne knappe Stunde für knapp drei Minuten Glück.
Das gab Ärger in der Schule, doch ich hab‘ mich nicht beschwert,
Die Musik war all die Nerverei und alle Schläge wert!
Gib mir Musik! Alles Gemeine ist verklungen,
All die Hänselei’n, die Mißerfolge, die Demütigungen.
Die bitt’re Niederlage ist in Wirklichkeit ein Sieg.
Gib mir Musik!
In der ersten Frühmaschine zwischen Frankfurt und Berlin,
Eingekeilt zwischen zwei Business Men, das Frühstück auf den Knie’n,
Den Walkman auf den Ohren, die Musik ist klar und laut,
Und ich wag‘ es kaum zu atmen, und ich spür‘ die Gänsehaut,
Wie ein mächt’ger Strom von Wärme mich mit der Musik durchfließt,
Wie mir plötzlich, unwillkürlich Wasser in die Augen schießt.
Und ich weiß, ich hab‘ natürlich kein Taschentuch im Jackett,
Und ich weine einfach drauflos und auf mein Frühstückstablett.
Links und rechts die Nadelstreifen und ich heulend mittendrin.
Ob die Guten wohl sich wohl vorstellen können, wie glücklich ich bin?
Gib mir Musik, um mir ein Feuer anzuzünden,
Um die dunklen Tiefen meiner Seele zu ergründen,
Meine Lust und meine Schmerzen, Narben, die ich mir selbst verschwieg.
Gib mir Musik!
So ein Tag, wo dir das Leben scheinbar durch die Finger rinnt,
All die kühnen Pläne über Nacht zu Staub geworden sind,
Wo dir Scharlatan und Wünschelrutengänger offenbar’n
Dass von nun an dir nur noch Geisterfahrer entgegenfahr’n.
So ein Tag, an dem du denkst, es ist total egal zum Schluss,
Welches Fensterkreuz man auswählt, wenn man sich erhängen muss.
Wenn von deinen stolzen Fahnen dir nur noch die weiße bleibt
Wenn der letzte Strohhalm, nach dem du greifst, vorübertreibt,
Dann ist da eine Magie, kommt ein Geschenk, ein Zauberding
Und das hält dich und das wird dich tragen wie ein Rettungsring.
Gib mir Musik! Die Träume, die längst aufgegeben,
Verschüttet in mir verdorr’n, beginnen wieder aufzuleben,
Und ich weiß, daß ich jede verlor’ne Chance noch einmal krieg.
Gib mir Musik!
Aus „Gib mir Musik – Live“, 2011
Foto © Hella Mey